Seit 10 Jahren virtuelles Lernen: Warum Methodik und Thematik im reinen Online-Studiengang bestechen

Gastbeitrag von Philipp Bucher, Programmkoordinator des Studiengangs Solar Energy Engineering an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die Gründung des Masterstudiengangs Solar Energy Engineering liegt zehn Jahre zurück. Damals gab es noch kein Microsoft Teams oder Zoom und dennoch wurde ein Studiengang zum Thema Solarenergie ins Leben gerufen, der rein auf digitaler Lehre basiert. Als im Jahr 2010 unterschrieben wurde, war das Ziel, Fachkräfte für die deutsche Photovoltaik-Industrie fortzubilden. Die Verantwortlichen ahnten damals noch nicht, dass sich daraus ein solch erfolgreiches internationales Projekt mit begeisterten Teilnehmenden aus fünf Kontinenten entwickeln würde. Während die Photovoltaik-Industrie 2010 boomte, erlebte die Branche in den  darauffolgenden Jahren einen Knick. Das Qualifizierungsprogramm schien zu dieser Zeit eher für Idealisten interessant, die schon damals nachhaltige Technologien entwickeln wollen. Dies hat sich mittlerweile wieder komplett gewandelt: Solarenergie ist auch für die freie Wirtschaft so relevant, dass viele Teilnehmende aus anderen Energiebereichen das Weiterbildungsangebot nutzen, um ihre Spezialisierung in Richtung Solarenergie zu erweitern. Denn es gilt: Solar ist mittlerweile eine der günstigsten Arten, um Energie zu erzeugen.

So funktioniert erfolgreicher Online-Unterricht

Der Studiengang überzeugt Teilnehmende jedoch nicht nur aufgrund der Relevanz und der Thematik, sondern vor allem durch die Art, wie das Thema vermittelt wird. So trägt auch die Konzeption als reine Online-Weiterbildung zu dem Erfolg des Studiengangs bei. Seit 2015 nehmen Studierende aus allen Kontinenten der Welt teil. Aufgrund der verschiedenen Zeitzonen stehen deshalb asynchrone Lerninhalte, also beispielsweise aufgezeichnete Lektionen, zur Verfügung. So kann jeder Studierende zu den für ihn passenden Zeitpunkten lernen.

Zudem treffen sich die Lehrenden regelmäßig mit den Studierenden in kleinen Gruppen, um zu diskutieren, sich auszutauschen, Fragen zu klären und Präsentationen zu halten. Jeder bringt hier seine Expertise ein – von der ökonomischen über die technische bis hin zur wissenschaftlichen Perspektive. Diese Zusammenarbeit und Begegnungen sind den Studierenden sehr wichtig. Deshalb zählt auch ein reales Treffen zum Studiengang, welches in den Laboren des stattfindet. In der führenden Forschungseinrichtung erhalten die Teilnehmenden einen praxisnahmen Einblick in aktuelle Projekte und Arbeiten der Solar-Energie.

Aber nicht nur real, sondern insbesondere online müssen sich alle als Teil der Gruppe fühlen. Dazu zählen auch die Lehrenden. Das persönliche Engagement der Dozierenden ist einer der entscheidendsten Faktoren beim Lernen. Im Online-Unterricht müssen gerade sie das Mindset und die Skills mitbringen, die Lerninhalte in digitaler Form zu vermitteln. So gewinnen unter anderem Moderationstechniken immer mehr an Bedeutung.

Digitale Zusammenarbeit muss trainiert werden

Im Jahresrückblick wird deutlich: Seit der Pandemie hat eine große Veränderung im Bereich der digitalen Weiterbildung stattgefunden. Im vergangenen Ausnahmejahr hat sich die Kultur des digitalen Lernens verändert. Webmeetings werden besser angenommen und ein reger Austausch findet statt. Das funktioniert aufgrund neuer Technologien besser als in den vergangenen Jahren. Grundsätzlich sind Online-Vorlesungen sogar aktiver – während eines Webmeetings in kleineren Gruppen kann man sich nicht in der Menge von Studierenden verstecken, wie beispielsweise bei Campus-Vorlesungen. Allerdings müssen die Studierenden in der Technik trainiert und eine entsprechende Diskussionskultur etabliert werden, damit die Weiterbildung Früchte trägt. Hiervon profitieren sie langfristig: Schließlich wird auf diese Weise nicht nur das fachliche Know-how gelehrt, sondern die Teilnehmenden lernen auch in internationalen Teams digital zusammenzuarbeiten und in Gruppenarbeiten diese Teams zu koordinieren. Eine entscheidende Kompetenz – jetzt und vor allem in Zukunft.

Weitere Entwicklungen des Masterstudiengangs

Im kommenden Wintersemester startet die Neuausrichtung des Curriculums. Bisher lag der Hauptfokus des Studiengangs auf Halbleitertechnologie, in Zukunft wird die Ausrichtung stärker »Downstream« in Richtung Photovoltaische Systeme und Netzintegration erneuerbarer Energien gehen. Das entspricht gleichermaßen dem Leitbild der Fraunhofer-Gesellschaft, die sich beim Thema Nachhaltigkeit in der Verantwortung sieht. Darauf zahlt nicht nur die Forschung ein, sondern auch die Weiterbildungsangebote, die sich diesem Thema verschrieben haben. Und auch die Technologien, mit denen der Online-Unterricht beziehungsweise die digitale Weiterbildung stattfindet, werden sich in den kommenden Jahren stark weiterentwickeln und noch einfacher werden. Dass der Online-Unterricht in der Gesellschaft eine immer größere Rolle spielt, ist auch beim Feedback anderer Bildungsträgern spürbar: Wo vorher Skepsis gegenüber Online-Unterricht herrschte, ist nun eine interessierte Neugier zu spüren.

Meine Empfehlung an andere Dozierende und Programmkoordinatoren hier: Probiert doch kleine virtuelle Formen der Zusammenarbeit aus. Schaut, wie diese Formate punktuell in die Lernprogramme eingebunden werden können. Früher ging es oft um ein schönes Quiz und interaktive Elemente. Doch in den nächsten Jahren wird sich Kollaboration unter Lehrenden und Teilnehmern zum »Heilige Gral« in der digitalen Lehre entwickeln.

 

 

 

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