In 5 Stufen vom Lean Logistics Pioneer bis zum Lean Logistics Ambassador vermittelt die Fraunhofer Lean Logistics Schulungsreihe in Kooperation mit dem Unternehmen trilogIQa Lean Managementmethoden im Kontext der Logistik, insb. Lager. Hierbei werden Prozesse vom Wareneingang bis zum Warenausgang analysiert und verschlankt, unter ganzheitlicher Betrachtung auf Basis von Wertströmen, Kennzahlen und motivierten Mitarbeitern. Als Kennzahlenexpertin im Lager bringt sich Frau Nicole Lubecki-Weschke der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS aus Nürnberg ein.
Nicole Lubecki-Weschke ist als Wissenschaftliche Mitarbeitern federführend für den Fachbereich Lager-Benchmarking an der Arbeitsgruppe SCS zuständig. Sie beschäftigt sich seit über 25 Jahren intensiv mit dem Thema Benchmarking, mit Fokus auf Lager in Industrie-, Handels- und Logistik-Dienstleistungsunternehmen.
Interview durchgeführt von Christina Waibel.
Frage 1:
Die Teilnehmer unserer Lean Logistics Schulungsreihe dürfen in der Kursstufe des Lean Logistics Principals von Ihnen lernen und von Ihren langjährigen Erfahrungen rund um Lagerprozesse und Kennzahlen profitieren. Welche Inhalte konkret vermitteln Sie in dieser Kursstufe?
Betriebswirtschaftlich wird ein Lager anhand seiner Leistungsfähigkeit beurteilt. Für eine objektive Bewertung kommen im Kern quantitative Kriterien in Form von Kennzahlen zum Einsatz, ergänzt um qualitative Faktoren. Im Lean Principal möchte ich den Teilnehmern vermitteln, wie Sie ein unternehmens- bzw. lagerspezifisches Kennzahlensystem aufbauen können, mit dessen Hilfe Sie die Ausgangssituation analysieren können, Ursachen für Schwachstellen ableiten, aber auch steuernd und koordinierend in Lagerprozesse eingreifen können.
Frage 2:
Wie sieht so ein Lager-Kennzahlensystem konkret aus? Und welche Lagerkennzahlen werden da abgebildet?
Es gibt kein „einzig richtiges Kennzahlensystem“ im Lager, es kommt auf die individuelle Zielsetzung an: Was soll mit dem Kennzahlensystem erreicht werden? Wer ist der Adressat? Und welche Kennzahlen stehen mit der Zieldefinition in einer sachlich sinnvollen Beziehung? In der Schulung erarbeiten wir mit den Teilnehmern in einer Fallstudie ein passgenaues Kennzahlensystem, das der Vergleichbarkeit mehrerer Lagerstandorte eines Unternehmens für die Geschäftsführung dient. Beim Benchmarking unterscheiden wir dabei zwischen Zielgrößen der Produktivität, Qualität und Kosten und deren Einflussgrößen wie Artikelspektrum und Lagergröße.
Frage 3:
Lager unterscheiden sich nach zahlreichen Aspekten, wie Größe, der Güterart, dem Automatisierungsgrad. Im Lager-Benchmarking der Arbeitsgruppe SCS treten Lager im direkten Kennzahlenvergleich an. Können Lager grundsätzlich miteinander in einem aussagefähigen Vergleich gegeneinander „antreten“? Wo liegen die Grenzen der Vergleichbarkeit?
Das stimmt – Lager ist nicht gleich Lager. Für den fairen Vergleich müssen Einflussgrößen bei der Auswahl der Vergleichslager und/oder bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen erforschen wir an der Arbeitsgruppe SCS seit 25 Jahren mit Fokus auf Distributionslager. Benchmarking war die Management„mode“ der 90er Jahre. Die Logistik stand anders als heute nicht so im Fokus der Öffentlichkeit. Bislang haben wir 180 Lager erfasst und untersucht. Aus diesem Pool an Lager suchen wir geeignete Vergleichsobjekte aus, z. B. anhand der Anzahl SKU, d.h. Stock Keeping Units, die die zu handelnde Gütervielfalt beschreibt, der Größe des Lagers und des Lagerdurchsatzes. Zu diesen Basiskriterien berücksichtigen wir in der Feinauswahl weitere individuelle Aspekte.
Frage 4:
Sie betreuen das Fraunhofer Lager-Benchmarking seit über 25 Jahren und haben 180 Lager untersucht. Ist das Thema Lager-Benchmarking heute überhaupt noch gefragt? Und was finden Sie persönlich so interessant an Lager?
Lager faszinieren mich, weil sie einerseits alle irgendwie gleich und doch so völlig verschieden sind. Ihre Komplexität ist viel größer, als man als Laie erwarten würde. Klar sind vollautomatische Lager beeindruckend. Aber gerade auch manuelle Lager sind hochinteressant, durch ihr komplexes Zusammenspiel aus Menschen, Technik und Prozessen. Und ja das Lager-Benchmarking ist heute nach wie vor gefragt! Ehrlich gesagt, wurde das Lager-Benchmarking früher oft beauftragt, weil es „hip“ war. Heute haben unsere Kunden und Partner den Mehrwert für sich erkannt. Der Kennzahlenvergleich zeigt den Unternehmen wie ihre Lagerleistung im Vergleich einzuordnen ist, er hilft Schwachstellen zu identifizieren oder zu validieren und Maßnahmen für Verbesserungsansätze aufzuzeigen.
Frage 5:
Geben Sie uns doch einen kleinen Einblick in ihre Forschungsarbeit. An welchen Themen rund ums Lager forschen Sie und ihre Kollegen der Arbeitsgruppe SCS derzeit?
Neben den „harten“ Kennzahlen interessieren uns die Mitarbeiter im Lager. Was motiviert sie? Was wirkt demotivierend? Wie lässt sich die häufig im Lager körperlich und geistig anstrengende Arbeit gesund gestalten? Welche motivationsfördernden Maßnahmen sind speziell für Logistik-Mitarbeitende im Niedriglohnsektor geeignet? Dieses doch recht „weiche“ Thema gewinnt vor dem Hintergrund des immensen Fachkräftemangels an Lagerfacharbeitern massiv an Bedeutung und wird zu einem Schlüsselkriterium erfolgreicher Lager.
Frage 6:
Das heißt also als Rückschluss: „Schlanke und effiziente Prozesse motivieren Mitarbeiter?“
Ich würde eher unterschreiben, dass schlechte Prozesse negativ auf die Motivation von Mitarbeitenden wirkt. Dabei sind es oft schon Kleinigkeiten, die zu permanenter Unzufriedenheit führen. Beispiele zeigen Aussagen von Mitarbeitern aus dem Bereich Verpackung und Kommissionierung:
„Was mir wirklich helfen würde, wäre eine scharfe Schere.“ oder
„Ich muss mir meinen Gang erst „freischaufeln“, um an die zu kommissionierende Ware zu gelangen.“.
Laut unseren Forschungserkenntnissen aus MoLa – Motivatio im Lager – steigerten teilnehmende Unternehmen durch Prozessverbesserungen ihre Lagerleistung einerseits direkt und andererseits indirekt dadurch, dass sie Frustrationsquellen für ihre Mitarbeitenden eliminierten und so die Motivation positiv beeinflussten. Als direkt wirkende Motivationsfaktoren sind eher Aspekte der wertschätzenden Führung, Kommunikation und Mitarbeiterentwicklung gefragt.
Unsere Expertin im Interview
Nicole Lubecki-Weschke
Wissenschaftliche Mitarbeitern
Arbeitsgruppe für Supply Chain Services
Fraunhofer-Instituts für Integrierte
Schaltungen IIS