Lean Management ist eine geeignete Lösungsmöglichkeit, um besser auf die Ansprüche und Wünsche unterschiedlicher Kunden zu reagieren und die Effizienz der internen Abläufe und Prozesse signifikant zu steigern. Wesentliche Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Einführung von Lean Management sind ein tief gehendes Verständnis von Lean-Prinzipien und -Methoden sowie eine angepasste und bedarfsorientierte Qualifizierung der Mitarbeitenden. Deshalb bietet die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS in Kooperation mit dem Praxispartner trilogIQa ein Lean-Schulungsprogramm für Unternehmen mit anspruchsvollen logistischen Aufgaben an – immer als Mix aus Theorie, Planspiel und praktischer Anwendung.
Unsere Expertin Dr.-Ing. Julia Boppert, Geschäftsführerin von trilogIQa, unterstützt Unternehmen bei der Einführung schlanker Produktionssysteme sowie der Mitarbeiterqualifizierung im Themenfeld Lean Production und Lean Logistics. Sie ist Trainerin bei unseren Schulungen und verrät im Interview, was Lean Management ausmacht.
Ein Beitrag von »Christina Waibel«, Produktmanagerin am Fraunhofer SCS.
Unsere Teilnehmer der Schulungsreihe Lean Logistics lassen sich gerne von deiner Begeisterung für schlanke Prozesse in Produktion und Logistik anstecken. Was fasziniert dich persönlich an den Methoden des Lean Managements und warum findest du als promovierte Maschinenbauingenieurin die Logistik so spannend?
Ich glaube, die besondere Faszination, die Lean für mich bedeutet, kommt daher, mit wie wenig man wie viel schaffen kann – wenn man die richtigen Fragen stellt, die richtigen Schlüsse zieht und diese konsequent verfolgt. So kann man nicht nur gute, erfolgreiche Prozesse realisieren, sondern auch Mitarbeitende und Führungskräfte in ihrer täglichen Arbeit zufrieden machen.
Vielleicht kommt das auch aus meiner Ausbildung: Wir Ingenieure lieben es ja, wenn alle Rädchen gezielt ineinandergreifen und dadurch scheinbar mühelos Dinge im Fluss sind. Und genau das gelingt auch bei einer guten Lean-Implementierung: Leistung entsteht scheinbar mühelos und alles ist im Fluss!
Du hast in deiner etwa 15-jährigen Tätigkeit als Lean-Beraterin schon viele Logistiklager gesehen. Kannst du einschätzen wie viele das in Summe etwa waren? Worauf achtest du bei deiner ersten Begehung eines Lagers? Was sticht dir dabei häufig ins Auge? Gibt es offensichtliche Probleme, die alle Logistik- und Produktionslager gleichermaßen teilen?
Das ist eine echt schwierige Frage – ich habe nie gezählt, aber ich denke, es werden in den vergangenen Jahren schon an die 300 Logistikumgebungen sein… Wenn ich in ein neues Lager komme, achte ich immer auf die Menschen, die dort unterwegs sind (selbst in automatisierten oder teil-automatisierten Systemen): Wie agieren sie? Wie kommen sie zurecht? Wobei kommen sie ins Stocken oder Überlegen? Daran kann man meist gut festmachen, wo man genauer hinsehen muss, wo sich Probleme abzeichnen. Ganz häufig liegen diese in der übergreifenden Steuerung der Abläufe – und das muss noch gar nicht durch das IT-System allein bedingt sein. Teils werden Aufträge nicht sinnvoll eingesteuert, so dass die Einzelprozesse nicht gut zusammenarbeiten können, teils erhalten die Mitarbeitenden nicht die Informationen, die sie eigentlich benötigen. In jedem Fall erkennt man, dass die Mitarbeitenden – und damit oft auch die Aufträge – nicht im Fluss sind.
Von Mitarbeitern, die Prozesse in Logistik und Produktion gestalten bzw. verantworten, geht man davon aus, dass sie die eigenen Unternehmensprozesse gut kennen. Macht es für diese Prozessexperten Sinn, sich mit der Methode der Wertstromanalyse zu befassen und sie in ihren Prozessen anzuwenden?
In jedem Fall! Das Tolle an einer Wertstromanalyse ist ja nicht nur, dass man für alle Transparenz schafft, wie die Abläufe aktuell sind und wo es zu verbessern gilt. Man wird gewissermaßen auch gezwungen, die eigenen Ansichten immer wieder zu hinterfragen – und gerade Prozessplaner:innen erkennen dabei oft, dass die vorgedachten Lösungen zum Teil in der Praxis ganz anders gelebt werden, dass gewisse Spielregeln veraltet sind oder dass manche vielleicht gar nicht für alle Mitarbeitenden bekannt waren. Und all das sind wichtige Erkenntnisse, um bei zukünftigen Prozessplanungen besser zu werden, Risiken früher zu erkennen oder die Beteiligten noch besser abzuholen.
Schulungsreihe »Lean Logistics«
Das Lean Management umfasst einen vielschichtigen Methodenbaukasten. An welchen Methoden kommt ein Unternehmen nicht vorbei, wenn es sich schlank aufstellen möchte? Mit welchen Methoden empfiehlst du die Einführung von Lean im Unternehmen zu starten?
Für mich ist eine der zentralsten Methoden wirklich der Wertstrom, weil er es ermöglicht, die aktuelle Situation zu verstehen, die Zukunft zu planen und beides inkl. der Veränderungsschritte auch transparent zu kommunizieren. Gleichzeitig hat man durch die ganzheitliche Perspektive auch immer die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Prozessschritten und ggf. die Auswirkungen bei Optimierungsmaßnahmen im Blick. Ich weiß, dass viele Unternehmen mit scheinbar einfacheren Methoden, wie 5S, starten – ich denke aber, dass eine sinnvolle Verbesserung erstmal mit einem großen Blick beginnt und dann im Kleinen weiteroptimiert.
Ist die Schulungsreihe ausschließlich an Führungskräfte gerichtet? Kann die Lean Logistics Schulungsreihe auch für erfahrene Lean-Manager sinnvoll sein? Was können diese konkret mitnehmen?
Unsere Schulungsreihe ist grundsätzlich für alle geeignet, die sich mit Prozessverbesserung und Lean beschäftigen wollen – und die Erfahrung der letzten Jahre zeigt uns, dass das teils Führungskräfte, teils Mitarbeitende oder auch Lean-Expert:innen sind, die sich nochmals eine andere Sicht auf ihre Themen wünschen. Wir hatten schon viele Teilnehmende, die über mehrjährige Lean-Erfahrung verfügen und trotzdem bei uns immer noch neue Herangehensweisen, methodische Ergänzungen oder auch gute Erklärungen bekommen haben, die sie dabei unterstützen, ihre Konzepte noch besser in die Organisation zu tragen. Da wir mit vielen Teilnehmenden auch Jahre später noch in Kontakt sind, freut es uns immer, wenn sie uns über die neusten Projekte und ihre Erfolge berichten, wenn sie sich zum Austausch oder zur Unterstützung an uns wenden und auch, wenn sie uns neue Ideen für weitere Schulungsmodule mitgeben.
Natürlich kennst du auch andere Anbieter von Schulungen zum Thema Lean. Was unterscheidet die Fraunhofer-Lean Logistics Schulungsreihe von anderen Anbietern und worin siehst du für die Teilnehmer einen Mehrwert?
Ich denke, was unsere Schulungen besonders auszeichnet, ist die Kombination aus Theorie, Planspielen und praktischer Anwendung. Viele Teilnehmende geben uns als Feedback, dass gerade dieser Mix bei ihnen ein nachhaltiges Umdenken, ein tiefes Verständnis und ein intensives Verinnerlichen der Lerninhalte bewirkt. Sicher haben unsere Schulungen auch durch unsere Fokussierung auf Logistik nochmals eine andere Sichtweise, die in anderen Seminaren so nicht adäquat berücksichtigt wird. Und letztens gelingt uns durch unseren Schulungsaufbau auch immer wieder der offene und kooperative Austausch zwischen den Teilnehmenden, ihren Unternehmen und auch unseren Praxispartnern, bei denen wir mit unseren Schulungsgruppen vor Ort sein dürfen.
Vor den aktuellen Einflüssen erfahren wir alle eine Verletzlichkeit globaler Lieferketten. In der Diskussion wird häufig mehr „Nachhaltigkeit“ und „Resilienz“ für Produktion und Logistik gefordert. Wie können Lean Management-Methoden diese Forderungen unterstützen? Warum ist es gerade jetzt sinnvoll, sich mit Lean-Methoden zu befassen und sich und seine Mitarbeiter weiterzubilden?
Ein wesentliches Merkmal von Lean ist, die eigenen Prozesse zu beherrschen. Und das bedeutet nicht nur, dass alles im Rahmen des bisher Bekannten gut zusammenspielt, sondern auch, dass man Abweichungen, Störungen, Turbulenzen frühzeitig erkennen und gegensteuern kann. Natürlich ist die aktuelle Lage auf den Weltmärkten sicher eine (zumindest bisherige) Ausnahmesituation – sie zeigt uns aber doch ganz deutlich, dass das Beherrschen der Abläufe und Zusammenhänge in den Lieferketten vielleicht in der Vergangenheit etwas aus dem Fokus gerückt ist und dass die Unternehmen ihr „Radar“ wieder größer ausrichten müssen. Ich persönlich mag den Begriff Resilienz, auch wenn er in der letzten Zeit etwas strapaziert worden ist, sehr, da er ja impliziert, dass man aus einer schwierigen Situation durch geeignete Anpassungen gestärkt hervorgeht – und genau diese Fähigkeit des ständigen Hinterfragens und Anpassens deckt sich perfekt mit dem Kaizen-Ansatz von Lean.
Jutta Haubenreich ist seit 2009 in wechselnden Rollen bei Fraunhofer Academy tätig. Sie war u.a. für das übergreifende Marketing der Fraunhofer Academy und für die Betreuung und Vermarktung von Fraunhofer-Weiterbildungsprogrammen im Bereich Energie und Nachhaltigkeit zuständig. Aktuell betreut sie insbesondere die Fraunhofer Wasserstoff Education Community. Von 2011 bis 2017 war sie Projektleiterin und Koordinatorin des BMBF-Verbundprojektes »mint.online: Berufsbegleitende Studienangebote in MINT-Fächern«.
Von 2015 bis 2022 promovierte sie berufsbegleitend am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München zum Thema »Der Einfluss des Fernsehens auf Bildungsmotivation und -entscheidung«.