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Wasserstoff in der Mobilität – Saubere und sichere Fahrt?

Wasserdampf statt CO2 aus dem Auspuff – ist das nicht eine schöne Vorstellung? Denn qualmende Fahrzeuge jeder Art sind mit ihren Emissionen zentrale Treiber des Klimawandels und zudem eine Bedrohung für die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern, wenn es um die Feinstaubbelastung in den Städten in warmen Monaten geht. Personenkraftwagen (Pkw) – und mit ihnen die Motorräder – sind für mehr als rund 60% der CO2-Emissionen in der gesamten EU verantwortlich. Hinzukommt mit mehr als 25% der Anteil der Lkw und Busse sowie der der leichten Nutzfahrzeuge mit über 10%. Insgesamt sind die durch den Straßenverkehr verursachten CO2-Emissionen in der EU seit 1990 um 24% gestiegen, das sind mehr als 880 Tonnen mehr. Das Problem ist erkannt, die Lösungen sind bekannt – lediglich an der Umsetzung hapert es noch. Das Ende des Verbrennungsmotors ist unausweichlich. Der Elektromotor ist zum Heilsbringer erkoren worden, ebenso wie der Wasserstoffantrieb. Doch welchen Beitrag kann Wasserstoff zu einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft leisten? Dieser Frage widmet sich das Weiterbildungsprogramm »Wasserstoff-Anwendungen in der Mobilität« des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Materialforschung IFAM. „Die Wasserstoff-Brennstoffzelle kann vor allem da eingesetzt werden, wo größere Reichweiten gefragt sind – als sogenannter „Range-Extender“ meint Stefan Sündermann, Fachdozent am Fraunhofer IFAM. Denn Wasserstoff kann Fahrzeuge auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energiequellen lokal CO2-frei antreiben. Wäre es nicht wünschenswert, wenn der Qualm im Straßenverkehr lediglich harmloser Wasserdampf ist?

Wasserdampf statt CO2 – schön wär’s

Der Einsatz von Wasserstofftechnologien in Mobilität und Transport ist kein neuer Trend. Nicht nur ist die Forschung sehr weit – nein es gibt reale Fahrzeuge, die mit Wasserstoff bzw. der Brennstoffzelle angetrieben werden. Sowohl im Bereich der privaten Mobilität als auch im Bereich der Nutzfahrzeuge gibt es Pkw und beispielsweise Gabelstapler, die im Einsatz sind. Die Technologie ist also erprobt und im Einsatz, aber wer kann schon einen Autohersteller nennen, geschweige denn ein Modell, das mit Wasserstoff auf den Straßen dieser Welt unterwegs sein könnte. Ist vielleicht auch nicht weiter verwunderlich, weil nur ein Modell eines deutschen Herstellers bekannt ist, das wiederum auf einen Hybridmotor setzt. Mehrheitlich kommen die Hersteller aus Asien und haben den Trend zum Wasserstoff-PKW vorangetrieben. Die Modellpalette ist jedoch überschaubar, die Preise hoch, die Akzeptanz beim Kunden noch nicht vorhanden und das Netzwerk der Wasserstofftankstellen nicht dicht genug. Nach dem Hype folgte die Ernüchterung. Dennoch haben Forschung und Hersteller weiter an neuen Lösungen gearbeitet und beispielsweise den Einsatz bei den Nutzfahrzeugen ausgebaut. Doch was muss für eine breite Wasserstoffmobilität verändern – vor allem im Personenkraftverkehr? Und welche Infrastruktur neben den Tankstellen wird dafür benötigt? Was ist mit den Werkstätten, die die Fahrzeuge warten sollen, welche Kompetenzen benötigen sie? Darauf liegt der Fokus in den nachfolgenden Abschnitten.

Safety first – auch für die Werkstätten

Pkw gehören zu den Verkehrsmitteln mit den höchsten Anforderungen an ihre funktionale Sicherheit (Safety). Der Schutz des Menschen hat höchste Priorität – Unfälle aufgrund von Fehlfunktionen müssen unbedingt vermieden werden. Bei den traditionellen Verbrennungsmotoren ist dies gegeben: Standards, Normen, Aus- und Weiterbildung sind darauf sind seit Jahrzehnten etabliert. Und das gesamte Werkstattnetz in Deutschland baut ihre Arbeit darauf auf.

Die Safety-Anforderungen gelten natürlich auch für die batterieelektrischen Antriebe ebenso wie für Fahrzeuge mit Brennstoffzelle und anderen Wasserstoffantrieben. Hier gibt es weder ausreichend Erfahrung, noch Ausbildung und noch weniger entsprechende Angebote für berufliche Weiterbildung für Werkstattarbeiterinnen und -arbeiter. Denn hier handelt es sich nicht um Evolutionsstufen von Motoren und Modellen, sondern um völlig neue Antriebtechniken. „Der Aufbau der Brennstoffzelle ist sehr komplex und wir haben es hier sowohl mit Wasserstoff als Energieträger als auch mit Elektrizität zu tun. Allein E-Fahrzeuge haben ein Spannungsniveau von bis zu 1000 Volt. Ab 60 Volt wird es aber für den Menschen schon gefährlich. Die Anforderungen an die Safety sind umso höher und die Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten von Werkstattmitarbeitern erhöhen sich um ein Vielfaches“, sagt Experte Stefan Sündermann vom Fraunhofer IFAM. Das Institut in Bremen forscht seit Jahren im Bereich der Elektromobilität und gehört zu den wenigen Anbietern von Weiterbildung im Bereich des Einsatzes von Wasserstoff in der Mobilität. „Wir sind noch an einem sehr frühen Punkt“, sagt Sündermann, aber „die Erlangung des speziellen Wissens in diesem Bereich und einer breiten Kompetenzverteilung samt der entsprechenden Zertifizierungsmodalitäten von zuständigen Stellen braucht Zeit und es müssen sich zunächst Strukturen und Prozesse bilden. Da wollen wir frühzeitig mitgestalten und Wissenslücken vermeiden und natürlich einen Fachkräftemangel.“ In den freien Automobilwerkstätten wie auch in den Werkstätten der kommunalen Fuhrparks für Busse oder Müllfahrzeuge wird die steigende Anzahl an wasserstoffbasierten Antrieben zu grundlegenden Veränderungen der Sicherheitsanforderungen führen. Der Bedarf an Wissen und Know-how im Umgang mit Brennstoffzellen und Wasserstofftanks oder Wasserstoff im Verbrennungsmotor. „Nicht nur die Techniker werden sich mit Wasserstoff-Mobilität befassen müssen, sondern viele andere Akteure: Mitarbeitende in Energiebetrieben, Energie und Umweltagenturen, Verkehrs -, Energie -, und Umweltbehörden, Fach und Führungspersonal von OEMs und Automobilzulieferern, Planungsunternehmen und Speditionen. Dazu zählen Fach- und Führungspersonal, Leitende und Anleitende Mitarbeitende in der Produktion, Service und dem Bereich von technischen Dienstleistungen, Techniker, Meister, Ingenieure im beruflichem Umfeld der Fahrzeugtechnik bei Produktion und Umrüstung konventioneller Fahrzeugsysteme sowie Sicherheitsingenieure und Sachverständige“, zählt Sündermann die breite Gruppe mit Bedarf an Weiterbildung auf.

Schritt für Schritt zu mehr Kompetenz

Unter Berücksichtigung des breiten Spektrums an Akteuren und ihrer individuellen Anforderungen an Wis-sen bietet das Fraunhofer IFAM ab Oktober 2022 das Weiterbildungsprogramm „Wasserstoff-Anwendungen in der Mobilität“ an. Dieses enthält dann 5 Lerneinheiten, die aufeinander aufbauen, aber je nach Bedarf auch einzeln absolviert werden können:

  1. Einführung in die Wasserstofftechnologie
  2. Sicherheit und Vorschriften bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen
  3. Brennstoffzelle, Speicher und Infrastruktur
  4. Wasserstoff-Antriebskonzepte für Fahrzeuge
  5. Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft

Ziel des Programms ist es, ein umfassendes und ganzheitliches Weiterbildungsangebot zur Rolle von Wasserstoff in einer nachhaltigen Energie- und Mobilitätsversorgung anzubieten. Von den relevanten Grundlagen der Wasserstofftechnologie in der Mobilität als Basis für das Verständnis der Möglichkeiten und Chancen für aktuelle und zukünftige Fahrzeugentwicklungen geht es über rechtliche Vorschriften (Gesetze, Regeln, Richtlinien und Informationen) zum sicheren Umgang mit Gasantriebssysteme in Fahrzeugen und einer sicheren Ausführung von Arbeiten an Systemen mit Wasserstoff zu Aufbau und Funktionsweise einer Brennstoffzelle in Mobilitätsanwendungen. Es soll ein Verständnis dafür entstehen, wie mobile Wasserstoff-Speicher sowie die Verteil- und Betankungsinfrastruktur von Wasserstoff funktionieren. Ein fundierter Überblick über die unterschiedlichen bereits real vorhandenen Wasserstoff-Fahrzeuge, von PKW, LKW, Nutz- und Sonderfahrzeugen bis hin zu Reisebussen, Schienen- und Wasserfahrzeugen stellt den Bezug zur Praxis her. Die Weiterbildung schließt ab mit einem Überblick über die unterschiedlichen Herstellungsverfahren von Wasserstoff und die Nutzung von Wasserstoff Power-to-X-Anwendungen und der Sektorenkopplung.

Einen stärkeren Praxisbezug bekommen die Teilnehmenden in weiteren Programmen, in denen aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt werden:

  • Wasserstoff als Bestandteil nachhaltiger Mobilität
  • Mobilitätskonzepte und Marktentwicklung
  • Grundlagen der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie
  • Wasserstoffsicherheit in der Anwendung
  • Praxisbeispiel: Wasserstoff-Brennstoffzelle als Range-Extender
  • Aktuelles F&E Projekt: Hydrogen Lab Bremerhaven
  • Virtueller Laborrundgang: Wasserstoff-Microgrid-Testlabor

Die Produktionszyklen in der Automobilindustrie sind lang und die Batterie als Brückentechnologie für Wasserstoffantriebe wird von diesen nicht abgelöst, sondern eher ein starkes Tandem der grünen Antriebe bilden. Der Traum von C02-freien Fahrzeugen auf unseren Straßen ist somit in greifbarer zeitlicher Nähe und kann Realität werden. Der Umwelt und dem Klima, wie auch den schadstoffbelasteten Metropolen würde das guttun. Bis dahin sind noch einige Schritte zu gehen, die alles Akteure gemeinsam gehen müssen und bereits jetzt Wissen und Kompetenzen aufbauen müssen. Für eine saubere und sichere Fahrt mit Wasserstoff.

Erfahren Sie mehr!
Online- und Präsenzseminar »Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in der Mobilität« qualifizierung.ifam.fraunhofer.de/wasserstoff #WerdeWasserstoffPionier

Mehrwert-infos für den Leser aus der Fraunhofer-Wasserstoff-Welt:

Forschung im Bereich Wasserstoff:
Wasserstofftechnologien (fraunhofer.de)

Fraunhofer-Podcast zum Thema Wasserstoff:
Von Grau zu grün: Wie Deutschland seinen Wasserstoffbedarf decken kann https://open.spotify.com/episode/3Nwtrdz0fQ1hCgd7T03gji
Wasserstoffkraftwerk für den Garten https://open.spotify.com/episode/1pTo9qAuXxiAxf5FQA6Md3

Weiterbildungsangebote im Bereich Wasserstoff bei Fraunhofer:
https://www.academy.fraunhofer.de/wasserstoff

Weiterbildungsangebote im Bereich Energie & Nachhaltigkeit:
Energie & Nachhaltigkeit – Fraunhofer Academy

Unser Experte im Interview

Fraunhofer Stefan Sündermann Wasserstoff

Stefan Sündermann

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM
Technische Qualifizierung und Beratung
Wiener Straße 12
28359 Bremen

Telefon +49 421 2246-7301

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