Prof. Dr. Jens Tübke ist geschäftsführender Leiter der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB sowie Produktbereichsleiter für Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer Institut für Chemische Technologie. Außerdem ist er Sprecher der Fraunhofer Allianz Batterien, die sich mit Batterieentwicklungen und allen Stufen der Produktion bis hin zum Recycling beschäftigt. Außerhalb von Fraunhofer hat er einen Lehrstuhl am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für Verfahren und Herstellungsmethoden von Batterie- und Brennstoffzellen inne. Im Interview spricht der Batterieexperte über zukünftige Herausforderungen und den Standort Deutschland.
Wie sind wir in Europa in Sachen Batterieforschung aufgestellt und welche Bedeutung hat die Forschung für die Wirtschaftszweige?
Batterien als mobile und stationäre Speicher für Elektroenergie sind aus dem heutigen Alltag und in Zukunft nicht mehr wegzudenken. Jeder nutzt Batteriespeicher in vielfältiger Form, etwa Lithium-Ionen-Batterien für Smartphones und andere mobile Geräte. Europa und Deutschland sind von der Weiterentwicklung und Verfügbarkeit dieser Technologien abhängig. Deshalb gibt es hier seit mehr als zehn Jahren Entwicklungs- und Förderprogramme für diese Technologien. Das umfasst eine programmatische Förderung, inklusive Ausbildung, Weiterbildung und Vernetzung der Partner innerhalb der EU. Ein Hauptziel ist es, die Einführung von Batterietechnologien in Europa und international zu vereinfachen, aber auch nachhaltig zu gestalten beispielsweise durch die Batteriedirektive, die ein Recycling der Materialien einfordert.
In Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine großzügige und einzigartige Förderung aufgesetzt, die in Clusterprojekten stark auf eine Verwertung in der Industrie ausgerichtet ist.
Welche Chancen entstehen hierbei für Deutschland mit Blick auf Herausforderungen wie die Klimawende und zunehmende E-Mobilität?
Die Batterieentwicklung hat in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren, z.B. bei der Lithium-Ionen-Technologie, die nicht neu ist, aber aktuell den Benchmark darstellt. Für Deutschland ist die Betrachtung geschlossener Stoffkreisläufe in der Batteriezellproduktion besonders interessant, um eine gewisse Unabhängigkeit vom internationalen Rohstoffmarkt zu erreichen. Das bedeutet, dass die Materialien der Batteriezelle nach ihrer Lebensdauer durch Recyclingverfahren wieder in die Wertschöpfungskette zurückgeführt werden. Ebenso vielversprechend sind Batterien, in denen das Lithium ersetzt werden kann, auch wenn damit kleinere Energieeinbußen einhergehen.
Sie leiten die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB. Welche Ziele verfolgen Sie in der FFB und was sind die wichtigsten Säulen dieser Einrichtung?
Wir sind 2019 mit dem Ansatz gestartet, die Batteriezellfertigung in Europa zu ermöglichen und als Keimzelle und Entwicklungsplattform, Blaupausen für weitere Fertigungslinien zu entwickeln. In der Zwischenzeit hat die Industrie nachgezogen und zahlreiche Zellfertigungslinien angekündigt. Das heißt, die Industrie packt das Thema an, allerdings ist vieles noch in der Planungsphase. Als Fraunhofer FFB richten wir uns nun stärker auf neue Technologien und Materialien, Designs und Konzepte aus, um die Industrie bei der Skalierung zu unterstützen. Es geht uns dabei auch um die eigene Technologieweiterentwicklung im Maßstab der Gigafactory und das Vorantreiben der Digitalisierung im Bereich der Zellproduktion. Ein wichtiges drittes Standbein ist die Ausbildung von Batterieexpertinnen und Batterieexperten.
Einblicke in die Arbeit der Fraunhofer FFB
An wen richten sich die Weiterbildungsangebote der Fraunhofer Academy und warum ist die Weiterbildung im Batteriebereich so wichtig?
Über den allgemeinen Fachkräftemangel hinaus fehlen im Bereich der Batterietechnologie und Zellfertigung zahlreiche Expertinnen und Experten für die in Europa entstehenden Gigafactories. Der Ausbildungsmarkt kommt allerdings nicht schnell genug hinterher. Wir gestalten deshalb gemeinsam mit der WWU Münster und RWTH Aachen die Ausbildung der Masterstudierenden. Aber auch das Thema Weiterbildung und Umschulung ist ein wichtiger Punkt. Denn neben Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen sind Techniker*innen gesucht. Damit Unternehmen ausreichend Fachkräfte finden, müssen Technikerschulen zukünftig in der Lage sein, neben beispielsweise Chemotechnikern auch Batteriezelltechniker auszubilden. Deshalb haben wir das Europäische Lernlabor Batteriezelle (ELLB) zusammen mit der Fraunhofer Academy gegründet. Das ELLB richtet sich an alle Zielgruppen unabhängig von ihrem Bildungsabschluss und bietet Weiterbildungen für verschiedene Kompetenzniveaus an. Mit diesem Ausbildungsangebot, welches digital und in Präsenz stattfindet, wollen wir den Einstieg und Spezialisierungen rund um das Thema Batterie ermöglichen. Hier geht es direkt zu des Kursangeboten der ELLB
Weitere Informationen zur Batterieforschung und Weiterbildung:
Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB:
Batteriezellforschung bei Fraunhofer
ELLB – Europäisches Lernlabor Batteriezelle:
Webseite und Kursangebote
Podcast: Batterieforschung: Viele Fragestellungen haben sich verändert:
Fraunhofer-Podcast mit Prof. Dr. Jens Tübke
Videos der Fraunhofer FFB (YouTube) :
Videos der Fraunhofer FFB
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Unser Experte im Interview
Prof. Dr. rer. nat. Jens Tübke, geschäftsführender Leiter der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB.
Franziska Purr arbeitet seit Mai 2021 für die Fraunhofer Academy als Learning Professional im Geschäftsfeld Corporate Learning mit dem Fokus Batterietechnologie. Frau Purr absolvierte 2021 ihren Master of Science in Psychologie mit Fokus Wirtschaftspsychologie an der Eberhard-Karls Universität Tübingen. Während des Studiums sammelte Sie Erfahrungen in der Personal- und Organisationsentwicklung sowie im Change Management großer Industrieunternehmen. Zuletzt beschäftigte Frau Purr sich im Rahmen ihrer Masterarbeit am Forschungscampus ARENA2036 e.V. mit dem Thema Akzeptanz KI-basierter Technologien im Produktionskontext.