Wie vermittelt man neue komplexe Skills mit adäquaten Lernmethoden: Ein Blick hinter die Kulissen der Entwicklung eines Wasserstoff-Weiterbildungsprogramms mit Unterstützung des Certified Scientific Trainerkurses.
Die aktuellen Veränderungen des Arbeitsmarkts durch Digitalisierung, Transformation von Industrien, Fachkräftemangel und neue Technologien erfordern die Entwicklung von zielgenauer fachlicher Weiterbildung für Unternehmen sowie ihre Mitarbeitenden. Um komplexe Themenbereiche adäquat weiterzuvermitteln, braucht es eine Vielfalt an Konzepten, Formaten und Tools, die sich an Lernbedürfnissen und Lernverhalten orientieren. Die Fraunhofer Academy hat im letzten Jahr den Kurs „Certified Scientific Trainer*in“ (CST) ins Leben gerufen, um Fraunhofer-Mitarbeitenden und Projektpartner*innen die Kompetenzen und das Know-how für die Entwicklung solcher Angebote zu übermitteln. Ziel des CST ist es, Teilnehmende zu befähigen, hochkomplexe, wissenschaftliche Sachverhalte in zielgruppenorientierte Weiterbildungen zu überführen, und zwar so, dass Inhalte begeistern, das Lernen Spaß macht und gleichzeitig nachhaltig ist.
Wir haben uns mit Saskia Plankert und Doris Jandel vom Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST getroffen, um zu erfahren, wie ihnen die Teilnahme am CST geholfen hat, ihr umfangreiches Weiterbildungsprogramm zum Thema Wasserstoff zu entwickeln.
Die Energiewende und der Umstieg auf nachhaltige Energiespeichersind momentan aktueller denn je. Wasserstoff gilt dabei als einer der größten Hoffnungsträger. Doch das Thema selbst ist umfangreich und komplex, nicht zuletzt durch seine vielen Anwendungsfelder. Der Bedarf von Wasserstoff-Weiterbildungen reicht von der Fachkraft über die Führungskraft zur Managementebene bis hin zu Projektingenieur*innen und Verwaltungsangestellten. Hier ist es besonders wichtig, zielgruppenorientierte Weiterbildungen zu entwickeln: So braucht ein*e Manager*in nicht die fachliche Tiefe einer Fachkraft, dafür aber die Flexibilität, die Weiterbildung ort- und zeitunabhängig und so effizient wie möglich durchzuführen.
Wie also vermittelt man neue komplexe Skills mit adäquaten Lernmethoden?
Auch Doris Jandel und Saskia Plankert standen nach Ihrem Start bei der Fraunhofer Gesellschaft im letzten Jahr vor dieser Fragestellung und entschieden sich daher für die Teilnahme am CST: „Wir kommen beide aus dem Bildungsbereich, daher lag unser Fokus nicht auf dem Erlernen neuer didaktischer Methoden/Konzepte. Unsere Motivation war zum einen zu erfahren, wie Weiterbildung bei der Fraunhofer-Gesellschaft verstanden und durchgeführt wird und zum anderen haben wir den CST als eine Möglichkeit gesehen, andere Institute kennenzulernen und während der Entwicklung unserer Weiterbildung vom Austausch mit diesen zu profitieren.“
Der CST setzt besonders auf interaktive Lernmethoden und stellt konstruktivistische Lernstrategien in den Vordergrund. Teil des Programms ist es, ein didaktisches Konzept mit den Tools zu entwickeln, die man im Laufe der Workshops kennenlernt. Zu diesen Tools gehört eine von der Fraunhofer Academy entwickelte Konzeptvorlage, die durch den gesamten Konzeptionsprozess führt. Hier werden sowohl Zielgruppen als auch Lernziele und Schwerpunkte (mithilfe der Bloom’schen Taxonomie) festgelegt und Rahmenbedingungen analysiert. Es entsteht zunächst ein Grobkonzept, was unter Berücksichtigung des AVIVA-Modells zum Feinkonzept ausgearbeitet wird. Abschließend werden Evaluations- und Weiterentwicklungsmaßnahmen definiert. „Als wir letzten Herbst den CST begonnen haben, waren wir gerade bei den Definitionen noch sehr am Anfang. Der CST hat uns eine Struktur gegeben, die uns enorm geholfen hat.“
Zudem ermutigt der CST die Teilnehmenden dazu, sich mit den verschiedenen Rollen bei der Entwicklung einer Weiterbildung auseinanderzusetzen und diese zu bestimmen.
Welche Aufgaben liegen bei den Wissenschaftler*innen und welche bei den Didaktiker*innen? „Wir waren Bindeglied zwischen Wissenschaft und Didaktik. Beispielweise war es unsere Aufgabe die Fülle an Informationen, die die wissenschaftlichen Mitarbeitenden in der Weiterbildung unterbringen wollten durch das Prinzip der didaktischen Reduktion einzugrenzen. Der CST hat uns dabei geholfen, immer wieder den Fokus auf die Zielgruppe zu setzen und zu überlegen, welche Inhalte für diese relevant sind“.
Wie sieht die entwickelte Weiterbildung nun aus?
Das Weiterbildungsprogramm „Energiewende praktisch – Fachwissen für Ihren Umstieg auf Wasserstoff“ umfasst sowohl Präsenzformate als auch Live-Onlineformate und E-Learnings.
Dabei haben die Teilnehmenden verschiedene Möglichkeiten den Kurs zu absolvieren. Sie können sich über die E-Learnings ein gutes Grundwissen zu Wasserstoff aneignen.
Nehmen Sie zusätzlich an Präsenz- sowie (oder) an Live-Onlineformaten teil haben sie die Möglichkeit, die Personenzertifizierung »Fachkundige*r Wasserstoff mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation« zu erwerben.
Dabei haben die Teilnehmenden verschiedene Möglichkeiten den Kurs zu absolvieren. Sie können sich über die E-Learnings ein gutes Grundwissen zu Wasserstoff aneignen. Nehmen Sie zusätzlich an Präsenz- sowie (oder) an Live-Onlineformaten teil haben sie die Möglichkeit, die Personenzertifizierung »Fachkundige*r Wasserstoff mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation« zu erwerben.
Lehr-/Lernmethoden
Je nach Format werden unterschiedliche Lehr-/Lernmethoden verwendet wie beispielsweise Text, Grafiken, Fotografien, Videos, Podcasts, Quizze, Animationen, interaktive Klick-Elemente, Lehrgespräche, Diskussionen, Exkursionen, Case Szenarios oder Hands-on Aktivitäten.
E-Learnings
Auch bei den E-Learnings kommt ein Strauß an Lehr-/ Lernmethoden zum Einsatz: „Wir haben die Methoden und Tools dabei immer passend zu Inhalten und Lerntiefe gewählt. In unserer Weiterbildung dienen die Web Based Trainings (WBTs) in den Selbstlernphasen beispielsweise der Grundlagenvermittlung. Wissensvermittelnde E-Learnings haben wir in Rise 360, komplexere Themen in Storyline 360* von Articulate erstellt, während wir Podcasts für Diskursthemen verwendet haben. Hier steht die Divergenz bestimmter Themen im Vordergrund. In unserem ersten Podcast diskutieren wir beispielsweise, ob „Wasserstoff wirklich der Hoffnungsbringer für die Energiewende“ ist. Dieses Thema wurde von unseren Expert*innen so aufbereitet, dass unsere Teilnehmenden ein Verständnis für die komplexeren Zusammenhänge bekommen und so über eine gute Grundlage für Interaktionen und Vertiefungen in der Live-Online und Präsenzphase haben.“
*Web Based Training (WBT) ist eine gängige Technik zur elektronischen Wissensvermittlung. WBTs sind interaktive Web-basierte Lerninhalte, die von den Lernenden zeitlich flexibel genutzt werden können. Storyline Articulate und Rise sind Programme zur Erstellung von interaktiven E-Learning Kursen.
Das Video zeigt einen Einblick in den Aufbau und die Inhalte des E-Learning Formats.
Präsenz – und Live-Onlineformate
Im Rahmen dieser austauschbezogenen Formate erhalten die Teilnehmenden neben der Forschenden-Perspektive auch einen Einblick in die Anwendenden-Perspektive. „Die Präsenztage finden am Wasserstoff-Campus in Salzgitter statt. Hier haben wir eine Ausstellung mit Exponaten zur gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette. An unterschiedlichen Lernstationen kommen die Teilnehmenden mit den wissenschaftlichen Mitarbeitenden ins Gespräch, analysieren Case Szenarios oder erfahren bei Hands-On Aktivitäten mehr über die Wasserstoffwirtschaft. Diese Methoden eignen sich besonders zur Vertiefung. Außerdem finden an diesen Tagen Exkursionen zu unseren Partnerunternehmen wie der Salzgitter AG, die Windkraft und Elektrolyse einsetzen und der Robert Bosch Elektronik GmbH, die Photovoltaik und Brennstoffzellen einsetzen, statt.“
Was ist das Fazit?
Wie auch der CST lehrt, ist das Fazit von Saskia Plankert und Doris Jandel, dass viele unterschiedliche Formate wichtig sind, um nicht nur die Komplexität eines Themas wie beispielsweise Wasserstoff einzufangen, sondern auch die verschiedenen Lernpräferenzen und unterschiedlichen Lernziele von der Wissensvermittlung bis zur Anwendung zu adressieren. „Unser Wasserstoff-Kursprogramm soll noch wachsen, um die unterschiedlichen Interessen auf dem Markt und die vielen verschiedenen Bausteine des Themas einfangen zu können. Hier lohnt es sich auch mit anderen Instituten zusammenzuarbeiten und Kompetenzen zu vereinen. Dies hat uns auch der CST gelehrt.“
Außerdem konkludieren die beiden, dass es wichtig ist, gleich zu Beginn der Entwicklung einer Weiterbildung die Rollen im Team genau aufzuteilen und den Entscheidungsrahmen zu bestimmen. Dabei ist es wichtig, dass Wissenschaftler*innen und Didaktiker*innen gegenseitig auf die Expertise des anderen vertrauen. Dies erfordert einen gegenseitigen Lernprozess und die regelmäßige Anpassung. „Durch den CST und die Entwicklung des Wasserstoff-Programms haben unsere Aufgaben als Didaktikerinnen nochmal eine neue Wertschätzung im Institut erfahren, insbesondere die Zeit, die hinter der Entwicklung einer Weiterbildung steckt, wurde in der Vergangenheit oft unterschätzt“.
Obwohl Saskia Plankert und Doris Jandel bereits sehr erfahren in der Weiterbildungsbranche sind, hat sie der CST bei der Entwicklung ihres Wasserstoff-Weiterbildungsprogramms sehr unterstützt: „Der CST bringt eine Struktur: Sie hilft uns sehr, die Weiterbildung sinnvoll zu untergliedern. Diese Struktur gibt uns letztlich auch die Freiheit, kreativ sein zu können und diese Kreativität mit unterschiedlichen Methoden und Medien auszuleben.“
Unsere Expertinnen im Interview
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Bienroder Weg 54E, 38108 Braunschweig, Germany
Doris Jandel
Forschungsplanung und -netzwerke, Bildungsmanagerin
Telefon: +49 (0) 531/2155-567
Mobil: +49 (0) 151/10652116
E-Mail: doris.jandel@ist.fraunhofer.de
Saskia Plankert
Verfahrens- und Fertigungstechnik für nachhaltige Energiespeicher, Bildungsmanagerin
Telefon: +49 (0) 160 980 20 501
E-Mail: saskia.plankert@ist.fraunhofer.de