Dr. -Ing. Mohamad Bdiwi ist Leiter der Abteilung kognitive Mensch-Maschinen-Systeme des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU). Auch hier, wo es um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine geht, stellt sich die Frage, wie Präsenz- und virtuelle Weiterbildung zusammenspielen können. Gemeinsam mit seinem Team bietet er die beiden Schulungen „Mensch-Roboter-Kollaboration von A bis Z – Fallstricke der Anlagenplanung vermeiden“ an. Doch wie lassen sich die anwendungsorientierten Seminare schon jetzt und auch in Zukunft digital darstellen? Mehr dazu im Interview.
Sie bieten ein Seminar zum Thema Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) an. Was ist der Hintergrund?
Beim Thema Mensch-Roboter-Kollaboration geht es grundsätzlich darum, die Vorteile von Mensch und Roboter miteinander zu versöhnen. In der industriellen Anwendung ist das Thema sehr vielschichtig, weil bei der Planung solcher Anlagen verschiedene Aspekte wie Sensorik, technische Systeme, Sicherheit und auf den Menschen bezogene Faktoren wie Ergonomie und Akzeptanz mit berücksichtigt werden müssen. Wir haben mehrere Anlagen bei Kunden von der Konzeption bis zur Umsetzung realisiert. Deswegen wollten wir unser gesammeltes Wissen mit unterschiedlicher Kompetenz in einer Schulung bündeln. Entstanden ist daraus das Seminar „Mensch-Roboter-Kollaboration von A bis Z“ – Fallstricke in der Anlagenplanung vermeiden.
Können Sie etwas zur Gestaltung der Schulung erzählen?
Die Schulung haben wir vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer Academy aufgesetzt. Unser Ziel war es, kein trockenes Wissen zu vermitteln, obwohl mit dem Thema viele Normen verbunden sind. Daher gibt es bei uns neben einem Block zur reinen Wissensvermittlung einen starken Interaktionsteil mit praktischen Beispielen im Versuchsfeld und zuletzt auch ein Workshop-Element. Wir binden darüber hinaus eine VR-Simulation ein, bei der die Teilnehmenden mit dem Roboter zusammenarbeiten können.
Wie wichtig ist der VR-Teil?
Für uns ist es wichtig, dass die Teilnehmenden erst einmal die Zulassungsprozesse und die Grundrichtlinien verstehen. Mit VR könnte man aber in Zukunft auch andere unserer Inhalte in digitalisierter Form zeigen. Wir versuchen immer, die Schulungsinhalte anhand der Erwartungen der Kunden zu fokussieren. VR ist hier für uns eher Inspiration und Mittel zum Zweck.
Und welche Elemente lassen sich bei Ihnen digital, welche nur in Präsenz umsetzen?
Das Thema Sicherheitssensorik etwa setzen wir bei uns in Präsenz um, wir lernen dann direkt in der Anlage in unserem Versuchsfeld. Wir zeigen hier live die mögliche Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Virtuell ist das aktuell schlecht umsetzbar. Aber die reine Wissensvermittlung, zum Beispiel die Auswahl der benötigten Merkmale und das Einrichten der Sensorik, könnte man teilweise digitalisieren.
Wie haben Sie Ihr Programm während der Pandemie umgesetzt?
Was das Thema Schulungen anbelangt, war das ein sehr komplexes Jahr für uns. Wir durften keinerlei Besucher am Institut empfangen. Dafür aber haben wir 2020/2021 erstmalig ein MRK-Webinar angeboten. Dafür haben wir versucht, die Grundlageninformationen aus dem ersten Block unseres MRK-Präsenzsseminars in eine Stunde zu packen, allerdings ohne interaktiven Part. Eine Möglichkeit wäre hier in Zukunft , gemeinsam auf einem interaktiven White-Board zusammenzuarbeiten und Herausforderungen und Lösungen gemeinsam abzuleiten. Denn bei einem Webinar hören die Teilnehmenden eher zu, bleiben ansonsten aber still. Man muss sie durch interaktive Elemente aktiv in die Schulung einbinden.
Welche Hürden sehen Sie bei der Digitalisierung von Weiterbildung in Deutschland?
Ich sehe grundsätzlich keine großen Hürden, da wir über die erforderliche Infrastruktur verfügen. Viel wichtiger ist da die Frage, wie man die Teilnehmenden überzeugen kann, dass sich solche digitalisierten Seminare lohnen und interessant sind.
Inwiefern lassen sich Ihre Schulungsinhalte jetzt und auch in Zukunft digitalisieren?
Letztes Jahr haben wir zusätzlich zu dem Grundlagen-Webinar zwei unserer Themenbereiche digital abgebildet: Das war zum einen „Werkzeuge für die Bahnplanung und -optimierung von Roboteranlagen“ sowie „Werkzeuge zur Auslegung und Optimierung von Safe-Bereichen in der Schutzzaunlose Fertigung“. Diese beiden Inhalte haben wir im Rahmen eines weiteren Webinars weitergegeben. Beides ist auch in Zukunft als Live-Demo vorstellbar.
In welche Richtung wird Weiterbildung bei Ihnen in Zukunft weitergehen?
Wir müssen eine digitalisierte Form der Weiterbildung finden, zu 100 Prozent in Präsenz stattfindende Schulungen wird es meiner Meinung nach nicht mehr geben. Dafür muss man geeignete Mittel finden und die Inhalte anpassen, entsprechend den Anforderungen der Teilnehmenden. Dennoch bleiben innovative Lernkonzepte bei uns ein Mittel zum Zweck: Entscheidend ist, dass die Teilnehmenden das für sie wichtige Wissen vermittelt bekommen. Deswegen planen wir in Zukunft eine digitalisierte Form für unsere Schulung anzubieten, die unseren Kundenanforderung entspricht und das MRK-Grundlagenseminar mit der Roboterbahnplanung und Sicherheitsauslegung kombiniert.
Jutta Haubenreich ist seit 2009 in wechselnden Rollen bei Fraunhofer Academy tätig. Sie war u.a. für das übergreifende Marketing der Fraunhofer Academy und für die Betreuung und Vermarktung von Fraunhofer-Weiterbildungsprogrammen im Bereich Energie und Nachhaltigkeit zuständig. Aktuell betreut sie insbesondere die Fraunhofer Wasserstoff Education Community. Von 2011 bis 2017 war sie Projektleiterin und Koordinatorin des BMBF-Verbundprojektes »mint.online: Berufsbegleitende Studienangebote in MINT-Fächern«.
Von 2015 bis 2022 promovierte sie berufsbegleitend am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München zum Thema »Der Einfluss des Fernsehens auf Bildungsmotivation und -entscheidung«.