Das Potenzial für Künstliche Intelligenz (KI) und Data Science in Unternehmen ist riesig – denn fast überall, wo es repetitive Prozesse gibt, kann KI Menschen bei ihrer Arbeit unterstützen. Auf dem Weg zu solchen Projekten und zur data-driven Company begleitet die Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz Unternehmen unterschiedlichster Größen in Deutschland. Geschäftsführer Dr. Daniel Trabold erläutert, wo Unternehmen stehen – und welche Chancen sie sich erschließen können.
Herr Dr. Trabold, wie aktiv sind Unternehmen denn bereits beim Thema KI?
Zahlen des Branchenverbands BITKOM zeigen, dass das Interesse in den letzten drei bis vier Jahren deutlich gewachsen ist. Rund 30 Prozent der Unternehmen planen demnach, KI einzusetzen. Aktiv verwenden KI aktuell rund 8 Prozent. Das zeigt deutlich: Die Vorreiter haben KI bereits im Einsatz. Im internationalen Vergleich schafft es Deutschland unter die Top-Ten, wobei das Land insbesondere im Bereich der Forschung punkten kann.
In welchen Bereichen können Unternehmen von KI-Anwendungen profitieren?
Fast überall – KI lässt sich als Querschnittstechnologie unternehmensweit einsetzen. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen: In der Produktentwicklung etwa kann KI vorhersagen, welche Kombination von chemischen Werkstoffen zu den angepeilten Produkteigenschaften führt – das reduziert den Zeitaufwand und den Ressourceneinsatz deutlich. In der herstellenden Industrie lässt sich mit vernetzten Anlagen analysieren, wie sich die Anlagensteuerung auf den Energieverbrauch oder den Ausschuss auswirkt, und entsprechend optimieren.
Im Vertrieb oder Kundenservice lassen sich unterschiedliche Kundentypen besser ansprechen oder Anfragen vorklassifizieren. Genauso gibt es bei Einkauf, Logistik oder klassischen Back-Office-Tätigkeiten gute Beispiele. KI kann Menschen praktisch überall unterstützen, wo es sich wiederholende Aufgaben oder Prozesse gibt.
Wann sollten Unternehmen sich mit dem Thema KI beschäftigen?
Es lohnt sich für Unternehmen, frühzeitig über KI nachzudenken. Denn wer als Vorreiter in seinem Kerngeschäft neue Wege findet, Prozesse zu optimieren, der wird effizienter, schneller und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Wir reden ja nicht nur von industrieller Produktion. Denken Sie an Prozesse wie das Handling von typischen Kundenanfragen, an die Verarbeitung eingehender Dokumente – selbst an medizinische Befunde, bei denen eine KI durch bilddiagnostische Verfahren Auffälligkeiten markieren kann. Die Analyse von klassischen, strukturierten Daten ist schon recht etabliert. Nun werden zunehmend Textdaten oder audiovisuelles Material erschlossen.
Kann KI auch bei aktuellen Herausforderungen helfen – wenn es darum geht, Probleme in Lieferketten zu erkennen oder sie krisenfester aufzustellen?
Auch das. Da dreht es sich ja um Themen, bei denen komplexe Strukturen und eine große Datenmenge zu analysieren sind. Wir haben schon einige interessante Projekte durchgeführt, um beispielsweise Preisentwicklungen oder Rohstoffverfügbarkeiten zu prognostizieren, damit Unternehmen darauf basierend Verträge abschließen können. Dazu kann auch gehören, bei Agrarrohstoffen Wetterdaten zu berücksichtigen, um Prognosen zu Erntemengen zu erhalten.
Unternehmen sehen sich komplexen Fragestellungen gegenüber, wenn sie KI-Anwendungen für sich erschließen wollen. Dazu gehört, wo sie Chancen identifizieren können, wie sie entsprechende Projekte planen können und natürlich auch, welches Know-how dafür erforderlich ist. Worin bestehen denn die größten Herausforderungen?
Eine aktuelle BITKOM-Umfrage zeigt die drei größten Schwierigkeiten auf: Fast die Hälfte der Unternehmen sagt, dass ihnen das Personal – also das Know-how – dafür fehlt. Dicht dahinter kommt fehlende Zeit. Platz drei belegen fehlende finanzielle Mittel.
Fehlendes Know-how ist einer der Punkte, an dem Sie ansetzen. Wie unterstützt denn die Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz Unternehmen auf ihrem Weg zur data-driven Company?
Zum einen haben wir ein großes Schulungsangebot, mit dem sich Mitarbeitende weiterbilden und auch Zertifikate erwerben können. Das können Einzelpersonen nutzen, aber auch ganze Teams, die sich zusammen im Unternehmen schulen lassen. Genauso können Teams einen Fraunhofer-Innovationscampus besuchen und dort gemeinsam mit Fraunhofer-Mitarbeitenden an Fragestellungen arbeiten.
Kleinere Unternehmen nutzen zudem gern die Möglichkeit, einzelne Mitarbeitende on the Job zu Data Scientists weiterzubilden – während sie in Rückkopplung zu erfahrenen Senior Data Scientists an einem eigenen konkreten Anwendungsprojekt arbeiten. Und die Technologieentwicklung für einen Use Case kann sich natürlich auch als Forschungsprojekt eignen. Ob mit uns oder über andere Partner: Unternehmen können sowohl Know-how bei internen Mitarbeitenden aufbauen als auch Partner suchen, die sie bei der Entwicklung und Implementierung unterstützen.
Mehrwert-Infos für den Leser aus der Fraunhofer-KI- und Data Science-Welt:
Fortbildung zum Data Scientist:
Data Scientist (fraunhofer.de)
Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz
Unser Experte im Interview
Dr. Daniel Trabold
Geschäftsführer
Fraunhofer-Allianz Big Data und Künstliche Intelligenz
Schloss Birlinghoven 1
53757 Sankt Augustin
Telefon +49 2241 14-2751
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Jutta Haubenreich ist seit 2009 in wechselnden Rollen bei Fraunhofer Academy tätig. Sie war u.a. für das übergreifende Marketing der Fraunhofer Academy und für die Betreuung und Vermarktung von Fraunhofer-Weiterbildungsprogrammen im Bereich Energie und Nachhaltigkeit zuständig. Aktuell betreut sie insbesondere die Fraunhofer Wasserstoff Education Community. Von 2011 bis 2017 war sie Projektleiterin und Koordinatorin des BMBF-Verbundprojektes »mint.online: Berufsbegleitende Studienangebote in MINT-Fächern«.
Von 2015 bis 2022 promovierte sie berufsbegleitend am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München zum Thema »Der Einfluss des Fernsehens auf Bildungsmotivation und -entscheidung«.