Visual Quote von Armin Keßler zu Wasserstoffmythen

Die größten Wasserstoffmythen

Rund um Wasserstofftechnologien spielen nicht nur technische, wissenschaftliche oder regulatorische Fragestellungen eine wichtige Rolle dabei, die Chancen von Wasserstoff in der Breite zugänglich zu machen. Es gibt auch eine Reihe von Mythen, die eine objektive Betrachtung des Potenzials von Wasserstoff erschweren. 

Deshalb betrachten wir gemeinsam mit unserem Wasserstoff-Experten Armin Keßler, Projektgruppenleiter für Technische Sicherheit am Fraunhofer ICT in Karlsruhe, im Folgenden einmal die größten Mythen rund um Wasserstoff – und was davon zu halten ist. 

1. Wasserstoff löst Katastrophen aus – das zeigt schon die Hindenburg

Die sich um den Einsatz von Wasserstoff rankenden Mythen beginnen mit einem Bild, das sich vielen offenbar stark eingeprägt hat: Der von Flammen umtoste Zeppelin Hindenburg, eine Katastrophe, die das Ende der Luftschiffe als Breitentransportmittel einläutete. 

Die Katastrophe wurde auch dem Wasserstoff angelastet – zu Unrecht, denn der Auslöser war wohl ein Blitzeinschlag, der die Hülle in Brand setzte. Dass dann auch das Gas abbrannte, war ein Folgeeffekt.

2. Wasserstoff entzündet sich viel schneller als Gas

Auf diesen ersten Punkt dürften manche erwidern: Aber Wasserstoff entzündet sich doch viel schneller! Das ist grundsätzlich zwar richtig – in der Praxis aber kaum relevant. Ja, die Mindestzündenergie fällt bei Wasserstoff deutlich niedriger aus als bei Erdgas & Co. Allerdings stellen Komponenten in Anwendungsszenarien wie etwa Schalter oder Motoren bereits Zündquellen mit einem Energiepotenzial stets deutlich über der Mindestzündenergie dar. Ob der um den Faktor 1000 oder 200 überschritten wird, ändert wenig. Sicherheitstechnisch wesentlich relevanter ist diesbezüglich der weite explosionsfähige Bereich, der bei Wasserstoff von 4% bis 77% Gasanteil reicht. Bei Erdgas hingegen nur von 4,4 – 16,5%. Entscheidend sind eine entsprechende Sicherheitstechnik, Normen und Kontrollmaßnahmen. Diese werden gerade für Wasserstoff eine große Rolle spielen.

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3. Es gibt keine Erfahrungen im Einsatz von Wasserstoff als Energieträger

Beim Einsatz von Wasserstoff sowohl als Energieträger als auch als Grundstoff der chemischen Industrie ist es mitnichten so, dass es keine Erfahrungen gäbe, auf denen sich aufbauen lässt. Bei deutschen U-Booten etwa laufen seit vielen Jahren entsprechende Pilotprojekte. Auch in Laboren, an Universitäten und in vielen Industriebetrieben ist der Einsatz erprobt – und offensichtlich auch entsprechend sicher zu gewährleisten.

4. Es gibt überhaupt keine Infrastruktur, auf die sich für Wasserstoff zurückgreifen lässt

Dadurch, dass etwa große Industrieunternehmen sehr wohl schon viele Jahrzehnte mit Wasserstoff arbeiten, gibt es natürlich Infrastruktur und auch Wissen über Pipelines und Zapfstellen. Richtig ist aber, dass vor dem Rollout in die Breite noch gründliche Prüfungen und auch die Normierung weiterer Standards erforderlich ist.

5. Wasserstoff lässt sich wie Erdgas nutzen

Wasserstoff und Erdgas unterscheiden sich in einigen Punkten deutlich. Deshalb lässt sich Erdgas-Infrastruktur natürlich nicht einfach für Wasserstoff nutzen, sondern es muss geprüft werden, ob das Material der Komponenten und Rohre auch für Wasserstoff oder schon für Mischbetrieb geeignet ist. Nicht jeder Stahl eignet sich etwa. Die Dauerbeständigkeit von Materialien und vorhandenen Einrichtungen muss also geprüft werden. Dazu zählt auch, ob Dichtsysteme für Wasserstoff geeignet sind oder nicht. Und auch die Speicherung von Wasserstoff stellt andere Anforderungen, weil sehr tiefe Temperaturen oder hohe Drücke erforderlich sind.

Wasserstoff bietet der Industrie und auch der gesellschaftlichen Breite große Chancen. Dabei versperren unbegründete Ängste den Blick auf die Potenziale. Das heißt nicht, dass nicht eine Reihe von Besonderheiten und Herausforderungen zu berücksichtigen sind. Es wird natürlich eine entsprechend auf Wasserstoff ausgerichtete Sicherheitstechnik und Materialstandards erfordern, um die Chancen sicher nutzen zu können. Dazu gehören auch eine Sensorik und Überwachungsmaßnahmen, die auf die besonderen Eigenschaften von Wasserstoff – kleinere Moleküle, Odorierung meist nicht möglich – angepasst sind. Für ein flächendeckendes Netz und den Einsatz in der Breite sind effektive, kostengünstige Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Dann steht Wasserstoff als einem Energieträger der Zukunft nichts mehr im Wege.

Unser Experte im Interview

Armin Keßler Fraunhofer Wasserstoff

Dipl.-Phys. Armin Keßler

Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 7
76327 Pfinztal

Telefon +49 721 4640-301

Mehr zu unseren Weiterbildungen rund um Wasserstoff finden Sie unter Weiterbildung Wasserstoff (fraunhofer.de)

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