Den Menschen ins Zentrum von Transformation und Innovation zu rücken, ist Frau Dr. Stephanie Schmitt-Rüths Motivation und Anspruch und gilt sowohl für organisationale Veränderungsprojekte bspw. im Kontext des Lean Managements als auch für Projekte der Digitalen Transformation. In der Fraunhofer Lean Logistics Schulungsreihe schärft Sie den Blick der Schulungsteilnehmenden auf den elementaren Faktor »Mensch«, ohne den der stetige Wandlungsprozess hin zu schlanken, verschwendungsarmen Prozessen nicht gelingen kann. Frau Dr. Schmitt-Rüth leitet den Forschungsbereich »Human Centered Innovation« an der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in Nürnberg.
Das Interview wurde durchgeführt von Christina Waibel, Produktmanagerin am Fraunhofer IIS.
Du leitest an der Arbeitsgruppe SCS den Forschungsbereich „Human Centered Innovation“ – also „menschenzentrierte Innovationen“. Gib uns bitte einen kleinen Einblick in deine Forschungsarbeit. Wann und warum sollte der Mensch und nicht die neuen Technologien im Vordergrund stehen?
Im Rahmen der Forschungsgruppe „Human Centered Innovation“ beschäftigen wir uns insbesondere mit Themen der Mensch-KI-Interaktion und menschzentrierten Veränderungsprozessen in Zeiten der digitalen Transformation. So erforschen wir zum einen die Beziehung zwischen Mensch und Technik, insbesondere der Künstlichen Intelligenz, und fragen uns, welche Auswirkungen die Nutzung von Technologie auf soziales Verhalten und Beziehungen hat. Konkret untersuchen wir bspw. wie KI und Maschinelles Lernen gestaltet werden muss, dass sie auf natürliche und sinnvolle Weise mit Menschen interagieren. Oder wir analysieren, welche Techniken zur Überwindung von Widerständen gegenüber dem Einsatz derartiger Technologien eingesetzt werden können. Aus unserer Sicht ist es essentiell, dass der Mensch und nicht alleine die neue Technologie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, denn die Technologie soll dem Menschen dienen und sein Leben verbessern, nicht umgekehrt.
Nächste Schulung am 28.03. – 29.03.2023 + 25.04.2023.
Auch die Methoden des Lean Managements können als Technik verstanden werden. Kommt in Lean Management-Projekten dem Faktor Mensch eine besondere Rolle zu?
Absolut – dem Faktor Mensch kommt bei Lean-Management-Projekten eine entscheidende Rolle zu. Lean ist eine Methode zur kontinuierlichen Verbesserung, die darauf abzielt, die Effizienz zu steigern und Verschwendung zu reduzieren. Um erfolgreich zu sein, erfordern Lean-Projekte die Beteiligung und das Engagement der Mitarbeitenden auf allen Ebenen eines Unternehmens. Das bedeutet, dass die Mitarbeitenden geschult, befähigt und ermutigt werden müssen, Veränderungen zu erkennen und umzusetzen. Die Leitungsebene wiederum muss die entsprechenden Strukturen und Prozesse schaffen, um eine nachhaltig wirksame Veränderungskultur zu etablieren.
In unserer Fraunhofer-Lean Logistics-Schulungsreihe engagierst du dich als Trainerin im Modul „Lean Ambassador“. Welche Kompetenzen vermittelst du unseren Teilnehmenden?
Das Modul „Lean Ambassador“ adressiert die Themen Change Management und Führung im Lean Kontext. Ich darf den Teilnehmenden die psychologische „Brille aufsetzen“ und im interaktiven Planspiel spür- und erlebbar machen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten im Change Management gefragt sind. Konkret geht es dabei um Anpassungs-und Widerstandsfähigkeiten und um Führungsqualitäten, um Teams zu inspirieren und durch den Wandel zu führen. Zentrales Instrument ist dabei die Kommunikation als Basis des Beziehungsaufbaus und der Konfliktbewältigung. In Changeprojekten trägt neben dem Skillset entscheidend das Mindset, also das Denk- und Verhaltensmuster bzw. die Mentalität der Führungsperson bei.
Bei der Umsetzung von Change Prozessen kann es unterschiedliche Widerstände aus der Belegschaft geben. Wie schaffe ich es Verweigerer in Befürworter von Änderungsvorhaben zu transformieren? Und was kann ich tun, wenn ich diese Menschen nicht überzeugen kann?
Um Verweigerer in Befürworter von Veränderungsprojekten zu verwandeln stehen ein paar Instrumente zur Verfügung: das wichtigste Element stellt immer noch die Information und Kommunikation dar. Zweck, Ziele und Vorteile des Veränderungsprojekts müssen transparent an alle Beteiligte vermittelt werden. Idealerweise werden Mitarbeitende bereits in der Planungsphase einbezogen, um ihre Beiträge zu hören und zu würdigen. Auch die Vorbildfunktion, das role modelling, ist ein guter Ansatzpunkt: gehen sie als Führungskraft mit gutem Beispiel voran, zeigen sie persönliches Engagement und Führungsstärke. Zudem sollte das Angebot an begleitenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Prozessbeteiligte selbstverständlich sein.
Auch wenn der emotionale Diskurs mit Bedenkenträgern und Verweigerern durchaus anstrengend sein kann, sollten diese als wertvolle Rückmeldungen verstanden werden. Bedenken zu ignorieren ist der falsche Weg. Überprüfen Sie im Projektteam wie real die Bedenken in Bezug auf das Veränderungsprojekt tatsächlich sind.
Gleichzeitig sollte man sich als Projektleitender aber auch bewusst machen, dass man nicht immer Alle überzeugen kann und dies auch nicht notwendig ist. Es reicht aus, 20 Prozent der Beteiligten zu überzeugen, dann stehen die Chancen zum Gelingen eines Projektes sehr gut!
Lass uns doch mal die Perspektive wechseln und eine Strategie für Mitarbeitende entwickeln. Wie verschaffe ich mir als Mitarbeitender nachhaltig Gehör, wenn ich von einem bevorstehenden Veränderungsprozess nicht überzeugt bin oder ihn als falsch erachte?
Wenn ich als Arbeitnehmender von einem anstehenden Veränderungsprozess nicht überzeugt bin oder ihn gar für falsch halte, dann hilft es immer, seine Bedenken und Einwände explizit gegenüber Vorgesetzten und verantwortlichen Personen zu äußern. Dabei sollte jedoch nicht emotional oder gar konfrontativ oder aggressiv argumentiert werden. Idealerweise untermauern sie ihre Einwände mit Daten und Fakten, die den eigenen Standpunkt verdeutlichen. Zeigen sie alternative Ideen oder Lösungen auf, die die Bedürfnisse und Perspektiven aller Beteiligten berücksichtigen.
Kannst du uns noch einen Expertentipp für unsere guten Vorsätze zum Jahresanfang geben? Wie führen wir sie nachhaltig zum Erfolg und können uns dabei Change Management-Prinzipien helfen?
Vorsätze zum Jahresanfang sind so eine Sache – zu Anfang ist man sehr motiviert, doch diese Motivation lässt nur allzu oft sehr schnell nach. Das liegt zum einen daran, dass der gefasste Vorsatz nicht dem eigenen Wunsch oder Bedürfnis entspringt, sondern eher von außen induziert ist. Zum anderen liegt dies vielfach daran, dass es nicht genügt, alleine den Vorsatz zu formulieren, sondern es muss auch der Weg dorthin bedacht werden. Es handelt sich dabei um ganz klassische Verhaltensänderungen, die eine Menge Zeit benötigen und nicht von heute auf morgen wirksam sein können. Die Grundsätze des Changemanagements können daher tatsächlich für eine erfolgreiche Umsetzung der eigenen Vorsätze beitragen. Beispielsweise mit der WOOP-Methode der Psychologie-Professorin Gabriele Oettingen:
- Wish: Identifizieren Sie ein bestimmtes Ziel oder einen Wunsch.
- Outcome: Visualisieren Sie das positive Ergebnis der Zielerreichung.
- Obstacles: Identifizieren Sie die Hindernisse, die dem Erreichen des Ziels im Wege stehen.
- Plan: Entwickeln Sie einen Plan, um die Hindernisse zu überwinden und das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
Ich drücke fest die Daumen für‘s Gelingen!
Alle Termine der Schulungsreihe Lean Logistics im Jahr 2023 unter: Terminübersicht Lean Logistics
Fraunhofer Schulungsreihe „Lean Logistics“
Unsere Expertin im Interview
Dr. Stephanie Schmitt-Rüth
Gruppenleiterin »Human Centered Innovation«
Arbeitsgruppe für Supply Chain Services
Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS